Kenne deinen Keim
Erregerkompass
Auf den Erreger kommt es an!
Nicht alle Substanzen wirken bei einem Harnwegsinfekt gleich gut - und das unabhängig davon, ob natürlich oder klassich antibiotisch.
Angesichts der vielen Möglichkeiten und Wirkstoffe (Phytopharmaka, Antibiotika, usw.) lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die verschiedensten Erreger bei Harnwegsinfektionen und deren gezielte Bekämpfung zu werfen.
- Wie bekämpfe ich den Harnwegsinfekt am effektivsten?
- Wie verhindere ich einen Rückfall (wiederkehrende Blasenentzündung)?
- Wie vermeide ich unnötige Antibiotika?
Die traurige Wahrheit
Wenn du an einer Blasenentzündung erkrankt bist, dann lernst du das leidige Thema zumeist erstmal so kennen:
Das Standard-Prozedere
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Hausarzt
Typische Symptome | Urinteststreifen pos.
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Antibiotikum
Standard Antibiotikum
Auf den ersten Blick scheint der Ablauf einfach zu sein und führt auch oft zum Erfolg, wenn: deine Blasenentzündung unkompliziert, das passende Antibiotikum "erraten" wurde (=> kalkulierte Therapie) und sich der/die Erreger nicht in deine Blasenwand eingenistet und versteckt haben.
Die traurige Wahrheit ist, dass das "Standard-Prozedere" entweder gar nicht oder nur kurz von Erfolg gekrönt ist.
Mögliche Konsequenzen daraus:
- Das Antibiotikum wirkt nicht (weil nicht sensibel auf den unbekannten Erreger)
- Du bekommst ein Antibiotikum nach dem anderen (und dein Risiko für Antibiotika-Resistenzen steigt)
- Deine Blasenentzündung kommt nach kurzer Zeit wieder zurück (rezidivierender Harnwegsinfekt)
Die sichere Konsequenz daraus:
- Unbekannter Keim => Du kennst den/die verursachenden Erreger deiner Harnblasenentzündung nicht.
Unverzichtbar: Das Antibiogramm
Bist du am "Standard-Prozedere" gescheitert und leidest unter wiederkehrenden Blasenentzündungen, dann gesellt sich zu dem einfachen Protokoll noch ein wichtiger Behandlungsschritt:
Urinkultur mit Antibiogramm
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Hausarzt > Labor
Urinprobe
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Antibiogramm
Keimbestimmung | AB Sensitivitätsanalyse => 2-4 Tage
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Sensibles Antibiotikum
Sensibel laut Antibiogramm
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Nachkontrolle
Urinteststreifen neg.
Du fragst dich nun bestimmt: Warum wird der Königsweg Antibiogramm nicht immer gleich eingeschlagen?
- Zeitlicher Mehraufwand
- Höhere Kosten
Was kannst du dagegen tun?
- Bereits bei der Anmeldung auf eine Urinkultur bestehen!
- Hartnäckig bleiben!
Ich kann nicht warten
Die Urinkultur muss bebrütet werden, d.h. von der Urinabgabe bis zum Vorliegen eines Antibiogramms dauert es in der Regel 2-4 Tage.
Wenn deine Symptomatik ein Warten nicht zulässt, oder das mögliche Risiko eines komplizierten Harnwegsinfekts die unmittelbare Gabe eines Antibiotikums erfordert, dann muss dein behandelnder Arzt / Ärztin trotzdem "raten" und eine sogenannte kalkulierte Therapie einleiten (so wie im einfachen Standard-Prozedere).
Das heißt im Klartext: Du beginnst die Einnahme eines "Best-Guess" Antibiotikums und sobald das Antibiogramm (= der "Befund") eingetroffen ist, kann gegebenenfalls korrigiert werden und du wechselst auf ein anderes Antibiotikum.
Nicht vergessen: Nachkontrolle
Der wichtige Behandlungsschritt zum Schluss wird leider aus Bequemlichkeit sehr oft vernachlässigt: Die Nachkontrolle.
Zur Nachkontrolle suchst du am besten frühestens 3 Tage nach der letzten Antibiotikaeinnahme wieder die Arztpraxis auf. Alternativ kannst du deinen Urin selbst mit Urinteststreifen zu Hause kontrollieren (der Arzt macht meist genau dasselbe).
Keimeingrenzung ohne Antibiogramm
Es gibt immer wieder Gründe, warum man nicht an den Königsweg Antibiogramm kommt: Wochenende, Auslandsaufenthalt, in der Praxis abgewimmelt, etc.
Kein Gang zur Praxis heißt im Regelfall dann auch: kein Antibiotikum und Selbstbehandlung mit Hausmitteln und natürlichen Substanzen (Achtung: Grenzen kennen)
Worauf es ankommt
Gerade bei der Behandlung mit natürlich antimikrobiellen Substanzen lohnt sich die Eingrenzung des Keims auf ein bestimmtes Merkmal: grampositiver oder gramnegativer Erreger.
Ob grampositiv (dicke Mureinhülle) oder gramnegativ (dünne Mureinhülle) macht in der Behandlung mit natürlichen Mitteln einen wesentlichen Unterschied.
- Die Vermehrung grampositiver Erreger soll durch sauren Harn gehemmt werden.
- Die Vermehrung gramnegativer Erreger soll durch alkalischen(=basischen) Harn gehemmt werden.
Selbsttest "Natron"
So kannst du versuchen herauszufinden, ob du einen grampositiven oder gramnegativen Befall hast.
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1/4 Teelöffel Natron in Wasser auflösen und trinken2h zuvor nichts essen
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40min wartenca. so lange braucht es, bis das Wasser mit Natron in deiner Blase ankommt
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Beschwerden schlimmer ==> grampositiv Beschwerden besser ==> gramnegativBeschwerden unverändert ==> möglicherweise kein HWI (aber z.B. Scheideninfektion)
Selbsttest "Nitrit"
Mit Hilfe eines Urinteststreifens kannst du herausfinden, ob dein Erreger Nitrit im Harn bildet. Nitritbildende Keime sind fast immer gramnegativ.
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Urinteststreifen4h zuvor die Blase nicht leerenKontamination vermeiden: vorher waschen, Mittelstrahlurin
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Ablesezeit (meist 1-2min) einhaltenPackungsbeilage genau befolgen
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Testfeld für Nitrit negativ ==> grampositiv Testfeld für Nitrit positiv ==> gramnegativ
Gramnegative Erreger
Erregerspektrum gramnegativer Erreger der akuten Zystitis bei Frauen in Deutschland.
Grampositive Erreger
Erregerspektrum grampositiver Erreger der akuten Zystitis bei Frauen in Deutschland.
Mischinfektion aus grampositiv UND gramnegativ
Eine Mischinfektion ist nicht unselten und sehr oft ist es dann eine Kombination aus gramnegativ und grampositiv.
In diesem Fall empfiehlt sich die Behandlung des potentiell "gefährlicheren" Keims zuerst.
Gramnegative Keime birgen mehr Risiko, da sie fast ausnahmslos mit ihren Flagellen "schwimmen" können und dadurch viel schneller in die oberen Harnwege (z.B. Nieren) aufsteigen können.
Auch die Keimzahl spielt eine Rolle in der Beurteilung. Ab einer Keimzahl von 10^5 spricht man von einer "ausgewachsenen" Blasenentzündung.
Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren die Bedrohlichkeit von gramnegativen, multiresistenten Keimen stetig zugenommen hat, wie z.B. der ESBL-bildende E. coli. Es ist längst nicht nur mehr der multiresistente MRSA (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus), der für schwer behandelbare Infektionen sorgt.
Atypische Erreger: Mykoplasmen, Chlamydien & Co.
Du leidest unter den typischen Symptomen, aber selbst die Urinkultur findet keine Keime? Dann kann es sein, dass du dich mit einem sexuell übertragbaren Erreger infiziert hast. Diese Erreger bedürfen einer speziellen Anzucht und können mit dem Standardverfahren einer Urinkultur nicht festgestellt werden.
Natürliche Antibiotika
Natürliche Haus- und Heilmittel bei Blasenentzündung gibt es viele - gefühlt wahrscheinlich sogar zu viele. Wie findest du dich also im Dschungel der Heilmittel bei Blasenentzündung nun am besten zurecht?
Du kannst selbstverständlich gerne alles durchprobieren (wenn deine Geldbörse das auf Dauer mitmacht), ABER:
Nicht jede Wirksubstanz vermag alle Harnwegserreger gleichermaßen zu attackieren.
Damit man aber vor lauter Bäumen den Wald nicht außer Augen verliert, möchte ich dir die meiner Meinung nach wichtigsten natürlichen Antibiotika mit ihrem Erregersprektrum vorstellen. Das heißt natürlich nicht, dass andere Mittel unwirksam sind - und was dich persönlich zu heilen vermag, hat immer Recht.
Da du ja nun deinen Erreger aus dem Antibiogramm kennst bzw. Hinweise auf deine Erregergruppe (grampositiv / gramnegativ) aus den Selbsttests hast, kannst du auch viel gezielter mit einer Kombination aus natürlichen Mitteln schießen.
Starte hier! Benutze die Filterleiste um eine Suche nach Erregergruppe, Erreger oder Heilmittel zu starten. Mit einem Klick auf das runde Filter-Symbol links unten gelangst du wieder schnell zur Filterleiste zurück.
Escherichia coli
Der häufigste Übeltäter bei HWI
Zitronensaft => pH 7-8
Ingwersaft > OLE* > Oreganoöl* > Cayennepfeffer* > roher Knoblauch
Staphylococcus saprophyticus
Ein fieser Keim: Mit allen natürlichen Mitteln kämpfen
Vitamin C* => pH 4-5
Proteus mirabilis
Zweithäufigster gramnegativer Erreger bei HWI
Zitronensaft => pH 7-8
Ingwersaft
Oreganoöl* > roher Knoblauch > Cayennepfeffer* > Angocin*
Klebsiella pneumoniae
Oft in einer Mischinfektion
Zitronensaft => pH 7-8
Ingwersaft > Cayennepfeffer* > Oreganoöl* > OLE* > KEIN Knoblauch!
Pseudomonas aeruginosa
Häufig resistent gegen viele AB
Zitronensaft => pH 7-8
Ingwersaft > OLE* > roher Knoblauch > Oreganoöl*
Andere Enterobacteriaceae
Zitronensaft => pH 7-8
Citrobacter koseri, Serratia spp.
Ingwersaft > OLE* > Oreganoöl
Enterobacteriaceae allgemein
(auch Morganella morganii, Citrobacter spp.)
Ingwersaft
20ml (20-30g frischer Ingwer entsaftet)
3 x täglich
Alternativ: 5g Ingwerpulver* in Wasser 3 x täglich
kann bestimmte E. coli Stämme verschlimmern
Anmerkung: Die Bilder zu den einzelnen Erregern sind beispielhaft und erheben keinen Anspruch auf Richtigkeit.
Biofilmbrecher
Mit dem Begriff Biofilm meint man Bakterienkolonien, die sich durch eine selbst erzeugte extrazelluläre polymere Matrix vor dem Angriff von Immunsystem und anderen Wirksubstanzen wie z.B. Antibiotika schützen.
Sehr ähnlich verhält es sich mit eingebetteten Erregern, die sich in der Blasenschleimhaut verstecken und dort ebenfalls in einer biofilm-ähnlichen Gemeinschaft leben.
Um den bakteriellen Verstecken den Kampf anzusagen, gibt es verschiedene Ansätze:
- Forskolin zur Auflösung der intrazellulären Einnistung der Keime. Alternativ: Chitosan agiert als Blasenwand-Exfoliant (löst die oberflächliche Schicht der Blasenzellen)
- Biofilmhemmer:
- Phytopharmaka: z.B. Kapuzinerkresse und Meerrettich (Angocin® Anti-Infekt N*), Arbutin (aus Bärentraubenblättern), Cumarine. Angocin® Anti-Infekt N* (Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel) wirkt durch die enthaltenen Senfölglykoside antimikrobiell. Zahlreiche Studien untermauern die ausgeprägte keimhemmende Wirkung von Isothiocyanaten (ITC, Senföle). Das Bakterienwachstum multiresistenter Keime und sogar die Ausbildung von resistenten Biofilmen können gehemmt werden.
- N-Acetyl L-Cysteine (NAC): antioxidativ, entzündungshemmend und mukolytisch (schleimlösend), zerstört und reduziert die Bildung von Biofilmen durch Bakterien und Pilze
- Lactoferrin: Das Enzym Lactoferrin nimmt den Bakterien den überlebenswichtigen Nährstoff Eisen und sorgt damit dafür, dass kein Biofilm gebildet wird (die Bakterien suchen immerzu nach Nährstoff). Lactoferrin ist ein körpereigenes Peptid, das z.B. in Tränenflüssigkeit, Speichel und Muttermilch vorkommt.
- Enzyme (z.B. Nattokinase, Serrapeptase): Interfase® Plus - Klaire Labs, Biofilm Defense® - Kirkman®
- Langzeitantibiose in Kombination mit dem Harnwegs-Desinfiziens Hiprex®
- Phagentherapie: Phagen sind Viren, die Bakterien angreifen und auflösen (auch in Biofilmen und auch schlafende Bakterien sog. Persister). In den Ländern des ehemaligen Ostblocks wird die Phagentherapie noch praktiziert. Phagen sind wirtsspezifisch, d.h. sie wirken gezielt auf eine Bakterienspezies.
Quellen
https://pantrypharmacy.com/category/the-kill-list-series/
https://register.awmf.org/assets/guidelines/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf
https://www.deutschesapothekenportal.de/download/public/fortbildungen/dap_fortbildung_blasenentzuendungen.pdf
https://www.iqwig.de/download/ht20-01_pflanzliche-mittel-bei-blasenentzuendung_hta-bericht_v1-0.pdf
https://www.egms.de/static/de/meetings/urobay2018/18urobay062.shtml
https://edoc.ub.uni-muenchen.de/26613/1/Magistro_Giuseppe.pdf
https://www.uni-ulm.de/fileadmin/website_uni_ulm/iui.gesfuermit/Newsletter/Newsletter_Sommer_2017.pdf
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-032015/gemeinsam-zur-attacke/
https://bellalindemann.com/blog/treat-uti-naturally-without-anitbiotics
https://www.deutschlandfunk.de/geknackte-gemeinschaft-100.html
https://www.pagepressjournals.org/index.php/aiua/article/view/aiua.2017.1.45/6474 (Prospective study to compare antibiosis versus the association of N-acetylcysteine, D-mannose and Morinda citrifolia fruit extract in preventing urinary tractinfections in patients submitted to urodynamic investigation)
https://www.stoputiforever.com/treatment/bacterial-biofilm-treatment-uti/
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S095461111630141X
https://encyclopedia.pub/entry/12723
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-072009/cumarine-in-pflanzlichen-arzneimitteln/
https://www.management-krankenhaus.de/news/aktuelle-studie-der-universitaet-heidelberg-zu-biofilmen
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2018/01/01/cystinol-baerentraube-bei-blasenentzuendungen
https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/nieren-und-harnwegserkrankungen/das-hilft-wirklich-bei-einer-blasenentzuendung-717367.html
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-352007/brennpunkt-blase/
https://www.uniklinik-freiburg.de/presse/publikationen/im-fokus/urologie-hilfe-fuer-die-entzuendete-und-gereizte-blase.html
https://www.blasendoktor.de/
https://urosurf.elearning.aum.iml.unibe.ch/theory/nitrite1.html?urosurf%7Ctheory%7Cchemanal%7Cnitrite%7C1
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8066587/
https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD001321.pub5/full
https://www.researchgate.net/publication/323167475_ANTIBACTERIAL_ANTIFUNGAL_POTENTIALITY_OF_RICINUS_COMMUNIS_COLEUS_FORSKOHLII_ON_SOME_HUMAN_PATHOGENIC_MICROORGANISMS
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/alternativen-zu-antibiotika-134532/
http://publications.rwth-aachen.de/record/781590/files/781590.pdf
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/antiseptikum-als-alternative-zu-antibiotika-131844/seite/alle/
https://www.angocin.de/angocin/wirkung-senfoele
https://www.springermedizin.de/harnwegsinfektionen/zystitis/unkomplizierte-harnwegsinfektionen/18278812
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2012/daz-44-2012/kapuzinerkresse-ist-arzneipflanze-des-jahres-2013
Cystitis Unmasked, Malone-Lee, J
Alles was Du wissen musst um Deine wiederkehrende Blasenentzündung für immer los zu werden, Theresia Niedermeier
Blase gut ... alles gut! Prof. Dr. med. Stephan Roth