UrologIn
Nicht nur "Männerarzt"
Viele Frauen sind regelmäßig beim Hausarzt/Hausärztin und Gynäkologen/Gynäkologin. Beim Urologen denken viele, dass dies ein reiner "Männerarzt" ist und sich deswegen ausschließlich um Männergesundheit kümmert.
Falsch gedacht, denn das Fach der Urologie ist für alle Krankheiten des Urogenitaltraktes zuständig und behandelt Männer, Frauen und Kinder.
Die gelebte Praxis ist jedoch leider, dass Frauen erst bei langwierigen oder scheinbar auswegslosen Harnwegsinfekten den Urologen/Urologin aufsuchen, obwohl das eigentlich die erste Adresse und Anlaufstelle sein sollte, wenn es Probleme mit der Blase gibt.
Auch mir selbst kam erst nach einer langen Serie von Blasenentzündungen der Geistesblitz, dass ich doch bei einer Urologin einen Termin vereinbaren könnte. Hinterher ist man immer klüger - ich hätte schon viel früher gehen sollen.
Auch nicht gerade hilfreich ist, dass Blasenbeschwerden in der Regel ein Tabuthema sind und keiner so wirklich gerne darüber spricht. Über alle möglichen gesundheitlichen Themen wird gefachsimpelt, aber bei Harnwegsinfekten, Reizblase oder Inkontinenz wird selten nach Rat gefragt.
Das Herz im Unterleib
Ich finde diese Bezeichung für das menschliche Hohlorgan von Prof. Dr. med. Stephan Roth einfach genial. Die Blase ist wahrhaftig das Herz im Unterleib, insbesondere die innere Schleimhautschicht.
Das sogenannte Urothel ist wie eine flexible Filteranlage. Sie muss jahrzehntelang enorme Dehnungskräfte aushalten und dabei auch noch zu jeder Zeit dicht sein, damit das Abwasser Urin nicht wieder zurück in den Blutkreislauf kommt.
Kein Ingenieur der Welt wäre in der Lage, so etwas zu konstruieren!
Die innere Schutzschicht der Blase besteht aus Glykosaminoglykanen (GAG). Sie aktiviert im Bedarfsfall die weißen Abwehrzellen (Leukozyten) und stimuliert damit das lokale Immunsystem.
Heute weiß man (wenngleich der genaue Nutzen noch nicht erforscht ist), dass diese innere Membran eher wie ein Goretex-Material funktioniert. Sie lässt keine Flüssigkeiten hindurch, ermöglicht aber dennoch einen Stoffaustausch.
Das Urothel weist eine relativ langsame Erneuerungsrate auf. Die Lebensdauer einer Urothelzelle beträgt 200-500 Tage. Aus diesem Grund kann bei einer Verletzung des Urothels nicht mit einer raschen Heilung (wie bei einer Verletzung in anderen Schleimhäuten) gerechnet werden.
Ebenfalls können dadurch tiefer eingebettete, versteckte Bakterien während der Erneurung immer wieder an die Oberfläche und damit in die Harnblase gelangen, wo sie dann wiederkehrende Blasenentzündungen Entzündungen auslösen können. Genau aus diesem Grund, und wenn sämtliche anderen Maßnahmen versagt haben, kann eine Langzeitprophylaxe (Dauereinnahme von Antibiotikum in reduzierter Dosis über 3-12 Monate) zum Einsatz kommen.
Wie wird untersucht?
Die bakterielle Blasenentzündung gehört zu den häufigsten Erkrankungen weltweit. Das richtige Maß an Diagnostik & Therapie ist schwierig (so wenig wie möglich aber so viel wie nötig).
Genau aus diesem Grund erfolgte die Abgrenzung in unkomplizierte bzw. komplizierte Harnwegsinfektion.
Eine wiederkehrende Blasenentzündung (mind. 2 Infekte in 6 Monaten oder mind. 3 Infekte im Jahr) zählt zu den komplizierten HWI und erfordert daher eine ausführliche Diagnostik, um eine gezielte Therapie einzuleiten.
Urindiagnostik: Schnelltest
Zur schnellen Erstdiagnose erfolgt die Urinuntersuchung von Mittelstrahlurin (der letzte Toilettengang davor soll mind. 3h her sein) mit Teststreifen. Ein Urologe/Urologin entnimmt den Urin auch gerne mit einem Katheter, um ganz sich zu sein, dass es bei der Entnahme selbst zu keinen Verunreinigungen kommt. Am Teststreifenbefund werden die Felder Nitrit (Abbauprodukt durch Bakterien), Leukozyten (weiße Abwehrzellen bei einer Entzündung) und Blut beurteilt. Nur wenn kein Nitrit, keine Leukos und kein Blut gefunden werden, ist eine HWI unwahrscheinlich. Mehr dazu findest du in meinem Artikel Urin-Teststreifen.
Urindiagnostik: Mikroskopie
Ein erfahrenes Auge kann bei einer sogenannten Harnzytologie unter dem Mikroskop so einiges erkennen: Leukozyten, Bakterien (manchmal sogar welche Bakterienstämme), eine Pilzerkrankung, oder tumorverdächtige Zellen bei einer Krebsform, die flach auf der obersten Zellschicht der Blase wächst (Carcinoma in situ).
Urindiagnostik: Urinkultur
Um eine gezielte Therapie des Infekts vornehmen zu können, wird der Urin auf einem Nährboden aufgebracht und bei 37° in einen Brutschrank gelegt.
Sind genug Bakterien im Urin vorhanden, wachsen diese und könnnen identifiziert werden. Anschließend kann ein Antiobiogramm austesten, welche Antibiotika
darauf sensibel (oder resistent) sind und die Bakterien beseitigen können.
Zusatzinfo: 10hoch5 (100.000) Bakterien pro ml sauber gewonnem Mittelstrahlurin sind ein Zeichen für eine klinisch signifikante Harnwegsinfektion.
Bis zum Vorliegen des Ergebnisses wird oft schon eine sogenannte "kalkulierte" Therapie eingeleitet, da eine Urinkultur mind. 48h dauert. Das heißt, dass bis zur Kenntnis des Erregers dein Arzt/Ärztin abwiegt, welches Antibiotikum er dir verschreibt (möglichst effektiv und nebenwirkungsarm). Sobald die Ergebnisse der Urinkultur vorliegen, kann im Bedarfsfall die Therapie angepasst (z.B. anderes AB) werden.
Achtung: Einige sexuell übertragbare Erreger, z.B. Gonokokken und Chlamydien, lassen sich nicht anzüchten und bedürfen anderer Diagnostik.
Ultraschall
Ein Ultraschall der Blase (nach der Blasenentleerung) kann herausfinden, ob die Blase vollständig entleert wird. Zeigt das Ultraschall einen verbleibenden Restharn, so kann das Ursache für wiederkehrende HWI sein. Zu einer Restharnbildung kommt es oft durch eine Blasensenkung (Zystozele), z.B. nach einer Geburt oder im Alter.
Ein Ultraschall der Nieren kann eine Stauung oder Nierensteine als Ursache für wiederkehrende Blasenentzündungen ausschließen.
Eine Ultraschallsonde in der Scheide kann seltene Ausstülpungen der Harnröhre (Harnröhrendivertikel) feststellen. In dem Hohlraum der Ausstülpungen können sich Bakterien sammeln und immer wieder eine Entzündung verursachen.
Urodynamik ("EKG der Blase")
Bei der Blasendruckmessung können Funktionsstörungen des unteren Harntraktes sehr gut diagnostiziert werden. Abgeklärt werden Reizzustände der Harnblase, Blasenentleerungsstörungen sowie die verschiedenen Formen einer Harninkontinenz.
Blasenspiegelung (Zystoskopie)
Die Blasenspiegelung ermöglicht dem Arzt einen Blick ins Innere der Blase und der Harnröhre. Bei dieser vielleicht unangenehmen, aber im Regelfall schmerzlosen Untersuchung wird ein dünner, biegsamer Schlauch (das Endoskop) mit einem Gemisch aus Gleit- und Schmerzmittel durch die Harnröhre von außen in die Blase eingeführt. Nachdem die Blase zur besseren Entfaltung mit steriler Flüssigkeit aufgefüllt wurde, ermöglicht die Videoendoskopie (am eingeführten Ende des Schlauchs) eine Betrachtung/Beurteilung der Harnröhre und Harnblase von innen auf einem externen Bildschirm.
Während einer Blasenspiegelung kann der Arzt Blasensteine entfernen, Verengungen der Harnröhre beseitigen und kleinere Tumore abtragen, Gewebeproben (Blasenschleimhautbiopsie) entnehmen. Bei Verdacht auf eine Harnröhrenentzündung (Urethritis) wird ein Harnröhrenabstrich gemacht, um das beim Abstrich gewonnene Harnröhrensekret im mikrobiologischen Labor untersuchen zu lassen.
Normalbefunde bei Frauen: Harnröhre ohne Enge, normale Harnleitermündung, Harnblasenschleimhaut: ohne Zeichen einer Entzündung und normale Gefäßzeichnung, keine Tumoren, keine Plattenepithelmetaplasie.
Beispiele pathologischer Befunde bei Frauen: verschiedene Ausprägungen einer Zystitis, Harnleitersteine, Harnblasensteine, Nierenstau, Schistosomiasis (Bilharziose - eine parasitäre Infektion mit Blutegeln), Harnröhrendivertikel, Engstellung der Harnröhre, Fisteln, Blutklumpen (Koagel), Plattenepithelmetaplasie, Harnblasenkarzinome
Starres Endoskop: Manche Praxen und Krankenhäuser verwenden noch starre Endoskope zur Zystoskopie bei der Frau, welches definitiv unangenehmer und sogar schmerzvoll sein kann. Mein Tipp: Am besten vorher abklären, welches Gerät der Urologe/Urologin deiner Wahl verwendet bzw. nach dem biegsamen Endoskop (das bei Männern normalerweise auf Grund der langen Harnröhre verwendet wird) verlangen.
Gut zu wissen: Während einer akuten Harnwegsinfektion wird keine Zystoskopie durchgeführt.
Behandlungsbeispiele bei HWI
- Anibiotische Therapie: Kurzzeitherapie (1-7 Tage, je nach Substanz), Langzeitprophylaxe (Dauereinnahme über 3-12 Monate oder postkoitale Einmaldosen), Antibiotika direkt in die Blase mittels Selbstkathetisierung
- Akut & Prophylaxe durch Ansäuerung des Urins (sicher ist, dass saurer Urin die Wirkung von AB steigern kann), z.B. Acimethin®
- Prophylaxe durch Impfung / Immunstimulation
- Instillationen in die Blase um die Schutzschicht der Blasenwand zu ersetzen (Lösung, die man über den Katheter in die Blase gibt, z.B. Instillamed®)
- Lokale Östrogengabe in die Scheide bei Östrogenmangel, z.B. Ovestin®
- Therapieplan bei Entleerungsstörungen
Wenn der Verdacht besteht, dass sich die krankheitsauslösende Ursache hinter der Blase befindet (z.B. Endometriose), müssen andere Untersuchungsmethoden angewandt werden, wie z.B. CT, MRT, oder Bauchspiegelung.