Die richtige Antibiose
Manchmal muss es einfach sein.
Ich bin unendlich dankbar, dass dieses Medikament so viele Leben rettet, und genau deswegen bin ich auch kritisch mit einer voreiligen oder extrem häufigen Einnahme. Vielleicht stimmst du mir zu und du versuchst lieber auch erstmal ohne AB deinen Weg zu gehen. Aber lass dir gesagt sein: Manchmal gewinnst du den Kampf einfach nicht ohne.
Bei einem komplizierten HWI (z.B. bei Kindern, Männern, Schwangeren, Blasenkatheter, Diabetes mellitus, Immunsuppression, funktionelle oder anatomische Störungen des Harntraktes, Nierenpoblemen), aber auch bei einem unkomplizierten HWI, der nach 5 Tagen der Selbstmedikation keine Besserung zeigt, ist eine ärtzliche Konsultation und sehr oft eine Therapie mit Antibiotika erforderlich.
Richten also Phytopharmaka (pflanzliche Arzneimittel) bei einem unkomplizierten Verlauf nichts mehr aus, nehmen Antibiotika über drei Tage den Kampf mit den Erregern auf.
Eine Kontrolluntersuchung, z.B. mittels Urinkultur, ist bei Symptomfreiheit nach Behandlung des Harnwegsinfekts nicht notwendig. Persistieren jedoch die Symptome des Harnwegsinfektes nach abgeschlossener 3-tägiger Behandlung, so sollte daran gedacht werden, dass entweder die Diagnose falsch war oder das Antibiotikum auf einen resistenten Keim traf. Bei Symptompersistenz sollte 6 bis 7 Tage nach Beginn der Behandlung eine Urinkultur mit Resistenzprüfung (Antibiogramm) vorgenommen werden. Dies gibt Aufschluss über die gefunden Erreger und die Sensibilität auf verschiedene Antibiotika.
Bei wiederkehrenden Blasenentzündungen: In über 90 % der Fälle stecken jedoch hinter Rezidiven Neuinfektionen. Darm- und Vaginalflora bilden hierfür das Erregerreservoir. Neuinfektionen treten nach mehr als 14 Tagen auf und werden wieder mittels Kurzzeitantibiose behandelt. Ein Wechsel des Medikaments ist nicht notwendig, da meist ein identischer Keim mit unveränderter Resistenzlage vorliegt.
Auch zur medikamentösen Vorbeugung häufig wiederkehrender Blasenentzündungen werden Antibiotika (kontinuierlich, niedrigdosiert oder postkoital) eingesetzt.
- Postkoitale Einmalprävention: Bei häufig rezidivierender Zystitis der Frau im Zusammenhang mit Sex kann eine einmalige Antibiotikagabe nach jedem Geschlechtsverkehr erfolgen.
- Langzeitprävention: Bei häufig wiederkehrenden Harnwegsinfekten (mind. 2/Halbjahr bzw. mind. 3/Jahr) der Frau kann nach Versagen von Verhaltensänderungen und nicht-antibiotischen Präventionsmaßnahmen sowie bei hohem Leidensdruck eine kontinuierliche antibiotische Langzeitprävention über drei bis sechs Monate eingesetzt werden.
Mit Konsequenz zum Ziel: Die beste Strategie ist, erst gar keinen HWI zu bekommen. Ich weiß, es klingt und ist auch manchmal mühsam, aber die Disziplin bei Vorbeugung und Erhaltung macht sich wirklich bezahlt. Du bist damit am besten Weg in eine blasenentzündungsfreie Epoche!
Nicht sofort das Handtuch werfen: Alle die von mir genannten Tipps in der Akutphase können deine (unkomplizierte) Blasenentzündung ohne Antibiotikum ausheilen lassen. Gib nicht gleich am 1. Tag auf! Ruf dir in Erinnerung: Die Bloggerin von www.meineblase.at ist das lebendige Beispiel dafür, dass auch abseits AB Hoffnung existiert!
Antibiotika-Anamnese: Welches Antibiotikum?
Bei der Auswahl eines Antibiotikums sind verschiedene Kriterien zu berücksichtigen: Beispielsweise das Erregerspektrum und die Antibiotikaempfindlichkeit bzw. die regionale Resistenzlage oder eine bestehende Schwangerschaft.
Leider werden immer mehr Bakterienstämme resistent gegen dieses lebensrettende Medikament. Voreilige und häufige Gabe von Antibiotika sind Gründe dafür. Damit wir auch in Zukunft bakterielle Infektionen erfolgreich behandeln können, sollten daher Antibiotika gezielter eingesetzt werden.
Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin zu Harnwegsinfektionen spricht folgende Empfehlungen für einen unkomplizierten HWI aus :
- Antibiotika der 1. Wahl: Fosfomycin-Trometamol (z.B. Monuril®), Nitrofurantoin (z.B. Uro-Tablinen®, Furadantin®, Nifurantin®), Nitroxolin, Pivmecillinam (Selexid®, Pivmelam®), Trimethoprim (z.B. Infectotrimet®) bei Resistenzen kleiner 20%. Alle gut verträglich, die körpereigene Bakterienflora wird wenig beeinträchtigt.
- Antibiotika der 2. Wahl: Cefpodoxim-Proxetil, Ciprofloxacin (z.B. Ciprobay®), Cotrimoxazol (z.B. Cotrim®, Kepinol®, Eusaprim®), Levofloxacin (z.B. Tavanic®), Norfloxacin (z.B. Barazan®), Ofloxacin.
- Nicht empfohlen: Cephalosporine und Cefixim (z.B. Infectocef®, Suprax®, Cefastad®, Cefaclor®) sind Breitspektrumantibiotika, die auch der physiologischen Vaginal- und Darmflora zusetzen (hier sind Probiotika als Begleitung und Nachsorge unverzichtbar)
- Oft unwirksam: Amoxicillin (z.B. Amoxibeta®, Amoxypen®, Azillin®) ist aufgrund von Erregerresistenzen nicht selten unwirksam.
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Reserveantibiotika Fluorochinolone: Norfloxacin, Ciprofloxacin oder Levofloxacin sind zwar wirksam, werden in der Leitlinie jedoch als Reserveantibiotika bezeichnet und
sollten nicht routinemäßig verordnet werden.
Ein Rote-Hand-Brief warnt außerdem vor möglichen schwerwiegenden und anhaltenden, die Lebensqualität beeinträchtigenden und möglicherweise irreversiblen Nebenwirkungen. Der Brief schränkt aus diesem Grunde die Anwendung ein: NICHT bei unkomplizierter Zystitis, NICHT bei rezidivierenden Infektionen der unteren Harnwege (Ausnahme: andere Antibiotika, die üblicherweise für diese Infektionen empfohlen werden, werden als ungeeignet erachtet). - Reserveantibiotikum Fosfomycin: Ist als Einzeldosistherapie (z.B. Monuril®) wirksam und gut verträglich, sollte aber ebenfalls nicht routinemäßig verordnet werden, da es als Reserveantibiotikum gegen lebensgefährliche Staphylokokkeninfektionen gebraucht wird.
- Antibiotika zur Langzeitprophylaxe (3-12 Monate täglich oder postkoital): Nitrofurantoin, Fosfomycin, Trimethoprim (bei Resistenzen kleiner 20%)
Die richtige Begleittherapie und Nachsorge
Aus dem Teufelskreis Antibiotika versus Immunsystem ausbrechen: Antibiotika schwächen den Darm und damit dein Immunsystem. Eine geschwächte Darm- bzw. Scheidenflora begünstigt wiederum Blasenentzündungen. Heftige Blasenentzündungen erfordern Antibiotika - und so beginnt das fiese Spiel von vorne.
Hier meine ganz persönlichen Tipps dazu:
- Darm- und Scheidenflora: Antibiotika können für dein Mikrobiom im Darm und in der Vagina, ebenso für dein Urobiom in der Blase ziemlich vernichtend sein. Mit der Zufuhr von Laktobazillen kannst du hier gezielt dagegen vorgehen. Orale Probiotikaprodukte und/oder Vaginalkapseln sorgen schon während der Antibiotikaeinnahme oder spätestens danach dafür, dass die "guten" Bakterien wieder angesiedelt und vermehrt werden.
- Antibiogramm: Sehr oft trifft der Arzt oder die Ärztin den Nagel sofort auf den Kopf und du erhältst das passende Antibiotikum zur Behandlung deiner Zystitis. Kommt der Infekt aber wieder, kann ich dir nur dazu raten, dass du bei deinem Arzt oder bei deiner Äztin nach einer Urinkultur mit Resistenzprüfung (Antibiogramm) fragst. Nur so kann genau bestimmt werden, welche Pathogene deine Blase besiedeln und welche AB darauf sensibel sind. Hier kannst du dir ein Beispiel eines bakteriologischen Befunds einer Urinkultur ansehen.
- Gardnerella Vaginalis: Er ist der Erreger, der womöglich bei dir den wiederkehrenden HWI verursacht. Er kann auch komplett symptomlos in deiner Vagina sitzen und keine typischen Beschwerden verursachen. Deine Gynäkologin/Gynäkologe kann bei einer Mikroskopie eines Abstrichs diese Fieslinge deutlich erkennen (oder sie werden bei einer Bakterienkultur nachgewiesen ) und eine geeignete Behandlung (meist mit AB) einleiten.
- Alternative Begleittherapie: Ein Antibiotikum bedeutet nicht, dass du auf alle anderen Tipps verzichten musst. Du kannst unterstützend weiterhin alle natürlichen Mittel, z.B. Phytotherapeutika, beherzigen. Nur beim tägl. Trinkvolumen solltest du nicht übertreiben, da ansonsten die Konzentration von antibiotischen Stoffen in der Blase zu gering in der Wirkung sein könnte. Während der Einnahme von Antibiotikum tendentiell eher weniger als zu viel trinken.
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SOS Antibiotikum: Ich habe immer ein Antibiotikum zur Kurzzeittherapie vorrätig zu Hause. Ich kann es in Eigenverantwortung einnehmen.
Auch wenn das in der Praxis erst ein einziges Mal erforderlich war (auf einer Dienstreise im Ausland), so hat das bei mir im Alltag gewaltig viel Druck herausgenommen.
Mit einem Notfall-AB musste ich wochenends, über Feiertage oder auf Urlaub keine Ängste mehr ausstehen (denn genau diese Ängste haben die Blasenentzündung oft dann noch magisch angezogen).